Hermine Overbeck-Rohte

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Die Malerin Hermine Overbeck-Rohte (geboren 24. Januar 1869 in Walsrode, gestorben 29. Juli 1937 in Bremen) hat um 1900 eine bemerkenswerte Lebensleistung vollbracht, ohne zu Lebzeiten den ihr dafür gebührenden Ruhm ernten zu können. Mit Talent und Beharrlichkeit ging sie ihren Weg in einer Zeit, in der Frauen das Studieren verboten war und ihnen per Gesetz nicht nur das Wahlrecht, sondern meist auch Berufsausübung, eigenes Vermögen und Entscheidungsfreiheit vorenthalten blieben.

Als jüngste Tochter des Walsroder Lederfabrikanten Carl Heinrich Rohte wollte Hermine Rohte nach der Schule Kunst studieren, um professionelle Malerin zu werden. Als der ältere Bruder (ihr Vormund nach dem frühen Tod des Vaters) die dafür erforderliche Erlaubnis verweigerte, lernte sie Hauswirtschaft, ließ sich dann aber, anstatt jung zu heiraten, wie es von Frauen aus bürgerlichen Verhältnissen erwartet wurde, an der Diakonissenanstalt in Hannover zur Krankenschwester ausbilden. Indem sie anschließend in Göttingen als Erzieherin arbeitete, verdiente sie ihr eigenes Geld und konnte sich privaten Malunterricht bei dem Landschaftsmaler Paul Koken finanzieren. In dieser Zeit absolvierte sie auch eine Ausbildung zur Fotografin – eine Tätigkeit, die damals technisch aufwendig, ungewöhnlich und weitgehend Männern vorbehalten war. Die erhaltenen Fotografien aus den Jahren um 1890 zeigen ihr Talent für das Fotografieren und den modernen Blick der Künstlerin, mit dem sie sich auf die Malerei gründlich vorbereitete.

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Als Hermine Rohte 1892 ein Gemälde im Kunstverein Hannover ausstellte und für den stolzen Preis von 150 Mark verkaufte, gab ihr dieser Erfolg das nötige Selbstbewusstsein, um in ihrer Familie doch noch die Erlaubnis zum Studieren durchzusetzen. Da in Deutschland alle Universitäten und Akademien noch bis 1918 ausschließlich Männern vorbehalten waren, schrieb sie sich an der Damenakademie des Münchener Künstlerinnenvereins ein – eine der wenigen professionellen Ausbildungsmöglichkeiten für Frauen. In München studierte sie vier Jahre lang Landschafts- und Stilllebenmalerei, unter anderem bei der österreichischen Malerin Tina Blau-Lang.

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Mit 27 Jahren verliebte sich Hermine Rohte in den Worpsweder Maler Fritz Overbeck. Dass sie in diesem Alter noch unverheiratet war, war für damalige Verhältnisse ungewöhnlich und wurde Frauen sehr zum Nachteil ausgelegt. Die Liebesheirat mit Fritz Overbeck änderte nichts an ihrem Streben nach künstlerischer Eigenständigkeit. Beharrlich forderte sie in der Verlobungszeit ihr Recht ein, nicht nur Künstlergattin, sondern auch Malerin zu sein. „Du traust mir nicht genug Talent zu“, schrieb sie ihrem zukünftigen Ehemann. Um die Beschränkungen der konventionellen Frauenrolle zu unterlaufen, erfand sie ein männliches Alter Ego: den Maler „Hermann“, der mit Fritz Overbeck auf Augenhöhe diskutierte. Selbstbewusst forderte sie, dass „Hermann u. Hermine wohl beide bei Fritz O. ihr Recht finden“ müssten. Fritz Overbeck akzeptierte diese Bedingung und richtete seiner Frau im gemeinsamen Haus ein eigenes Atelier ein.

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Mit ihrer Heirat 1897 wurde Hermine Overbeck-Rohte Teil der Künstlerkolonie Worpswede. Viele ihrer wichtigsten Werke entstanden in den ersten Ehejahren. Erst allmählich forderten Schicksalsschläge und ihre Aufgaben als Ehefrau und Mutter Tribut: Der Tod eines Kindes im Säuglingsalter im Jahr 1900 und ihre eigene schwere Erkrankung an Lungentuberkulose ab 1903 verschoben den Fokus hin zu familiären und gesundheitlichen Sorgen. Dennoch arbeitete sie weiter. Als die Tuberkulose sie zu monatelangem Liegen zwang, malte sie im Liegestuhl, mit einer Staffelei, die Fritz Overbeck eigens dafür konstruiert hatte. Anstatt der Landschaftsmotive, die sie nun aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr aufsuchen konnte, widmete sie sich verstärkt der Stilllebenmalerei.

Nach dem frühen Tod Fritz Overbecks im Jahr 1909 wurde Hermine Overbeck-Rohte zur kompetenten Nachlassverwalterin seines Werkes. Aber auch ihre eigene Arbeit ließ sie nicht ganz ruhen – wann immer ihre Pflichten als Mutter von zwei Kindern und Verwalterin eines künstlerischen Nachlasses ihr die Zeit dazu ließen, entstanden Ölgemälde von eindrücklicher Komposition und Farbigkeit, etwa auf den Inseln Sylt und Föhr. Im Alter von 68 Jahren starb Hermine Overbeck-Rohte an den Folgen eines Autounfalls. Versteckt hinter den Werken Fritz Overbecks fanden ihre Kinder erst jetzt, nach ihrem Tod, die Gemälde der Künstlerin. Der Sohn schreibt in seinen Erinnerungen: „Wir standen erschüttert: Welch eine wunderbare Malerin ist Hermine Overbeck-Rohte gewesen!“

Als 1990 in Bremen das Overbeck-Museum gegründet wurde, gelangte das Werk der Malerin erstmals umfassend an die Öffentlichkeit – mehr als 50 Jahre nach ihrem Tod. Seither wird es im Overbeck-Museum dauerhaft in wechselnden Ausstellungen gezeigt und durch zahlreiche Veröffentlichungen und weitergehende Forschung gewürdigt.

 

Eine Arbeitsgruppe aus Stadtarchiv und Gleichstellungsbeauftragter der Stadt Walsrode, Overbeck-Museum in Bremen, Zweckverband Vogelpark-Region, den GästeführerInnen im Heidekreis, Heidemuseum Walsrode und FORUM hat sich zum Ziel gesetzt, Leben und Werk der Walsroder Malerin gerade in der Region ihres Geburtsorts  bekannt zu machen und vorzustellen. Die Arbeitsgruppe wird in jedem Jahr zu diesem Zweck Veranstaltungen anbieten.

Der Landesfrauenrat Niedersachsen hat im Jahr 2023 auf Initiative der Arbeitsgruppe zu Ehren von Hermine Overbeck-Rohte die Stadt Walsrode zum 49. frauenORT ernannt.

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