Arno Schmidt: Wichtige Jahre eines Sonderlings

01/2014 - "Glückwunsch, Herr Schmidt!" Am 18. Januar wäre Arno Schmidt 100 Jahre alt geworden. Der Bomlitzer Historiker Thorsten Neubert-Preine hat sich zu diesem Gedenktag in der Walsroder Zeitung mit dem ungewöhnlichen Schriftsteller beschäftigt, der eine wichtige Schaffenszeit in Benefeld auf dem Mühlenhof verbrachte. Das FORUM wird zum Gedenken an Arno Schmidt im kommenden "Bomlitzer Mai" die vorhandene Ausstellung in modernisierter Form präsentieren und an "Schwarze Spiegel" und andere Werke erinnern.

Arno Schmidt gilt heute als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Autoren der Nachkriegszeit, der permanent nach neuen und anspruchsvollen Erzählformen gesucht hat. Viele Leser tun sich schwer mit seinem Werk – man mag es oder man mag es nicht – viel dazwischen gibt es nicht. Der vor 100 Jahren geborene Autor hat auch einige Jahre in der Lüneburger Heide zugebracht. Von 1945 bis 1950 lebte er mit seiner Frau Alice auf dem Mühlenhof in Cordingen. Es waren sehr wichtige, wenn nicht die wichtigsten Jahre seines Lebens, denn hier begann er ernsthaft mit seiner schriftstellerischen Tätigkeit. Mehrere Erzählungen und Romane spielen in unserer Region oder nehmen hier ihren Ausgang.

Am 18. Januar 1914 wurde Arno Schmidt in Hamburg-Hamm geboren. Nach dem frühen Tod des Vaters 1928 musste die Familie in das Haus der Großeltern nach Lauban in Niederschlesien übersiedeln. Das Verhältnis zu seiner Mutter war schwierig, was ihn nachhaltig belastet hat. 1933 legte er sein Abitur ab und besuchte im Anschluss daran einige Zeit die Höhere Handelsschule. Nach mehrmonatiger Arbeitslosigkeit fand er eine kaufmännische Lehrstelle bei den Greiff-Werken in Greiffenberg. Dort lernte er seine spätere Frau Alice kennen. Nach erfolgreichem Abschluss arbeitete er ab 1937 als Lagerbuchhalter. In dieser Zeit befasste er sich mit ersten literarischen Arbeiten, zumeist Gedichten, ohne diese Passion weiter verfolgen zu können.

Ab 1940 wurde Arno Schmidt zum Kriegsdienst eingezogen, der für ihn am 16. April 1945 nach einem kurzen Kampfeinsatz in Niedersachsen und der Gefangennahme durch britische Soldaten endete. Zunächst kam er in ein Gefangenlager nach Brüssel und wurde im September 1945 ins Lager nach Munster verlegt, wo er als Dolmetscher arbeitete. In der Kriegsgefangenschaft hatte Arno Schmidt sein Geburtsjahr mit 1910 absichtlich falsch angegeben. Damit wollte er sich wohl der schweren Zwangsarbeit entziehen, zu der sämtliche Kriegsgefangenen, die jünger als 30 Jahre waren, herangezogen wurden. Ende Dezember 1945 erfolgte seine Entlassung nach Cordingen, wo er weiterhin als Dolmetscher für die Briten arbeiten konnte. Einsatzort für ihn und auch seine Frau war die von den Militärbehörden neu eingerichtete Hilfspolizeischule Benefeld, wo er bei der Auswahl der Bewerber mitwirkte. Ende November 1946 beendete das Paar seine Tätigkeit bei den Briten. Arno Schmidt wollte fortan als freier Schriftsteller arbeiten. Dieser Entschluss führte in den Folgejahren zu einem ärmlichen Leben, das er ohne die CARE-Pakete seiner nach Amerika ausgewanderten Schwester kaum hätte bewältigen können.

Spricht man alteingesessene Benefelder auf Arno Schmidt an, so erhält man nur selten positive Kommentare. Er wurde zumeist als Sonderling und streitfreudiger Zeitgenosse wahrgenommen. Intensiv hat er sich mit der Region und ihrer Geschichte auseinandergesetzt, doch heimisch ist er hier nicht geworden. Mit seiner Frau machte er zahllose Erkundungstouren durch Benefeld und die Umgebung, erstellte detaillierte Pläne, machte Fotos und führte zeitweise Tagebuch über die Erlebnisse in der Heide. Offenbar betrachtete er die durch die Anlage der Pulverfabrik EIBIA, die Demontagearbeiten und das Flüchtlingselend der Nachkriegszeit stark veränderte und pulsierende Landschaft als unerschöpfliche Stoffquelle für seine Erzählungen. In den Kurzromanen „Aus dem Leben eines Fauns“, „Brand’s Haide“ und „Schwarze Spiegel“ benutzte er zahlreiche Versatzstücke, die er in der Region, ihrer Geschichte und den aktuellen Verhältnissen fand und formte sie fiktiv um. Zuvor veröffentlichte er aber seine Debuterzählung „Leviatan“, für die er 1949 sein erstes Schriftstellerhonorar bekam. Der Verkauf des Buches war allerdings so schlecht und das Honorar so gering, dass sich an den finanziellen Schwierigkeiten der Schmidts zunächst nichts änderte. Hinzu kamen Mietstreitigkeiten, die u.a. zur Pfändung seines geliebten Tandems führten, mit dem das Paar die Erkundungstouren durch die Lüneburger Heide gemacht hatte. Erst als Arno Schmidt im Folgejahr den Literaturpreis der Mainzer Akademie erhielt, entspannte sich die Lebenssituation. Doch bevor er das Preisgeld aus den Händen von Alfred Döblin entgegennehmen konnte, hatte er mit seiner Frau die Zelte in Cordingen abgebrochen und war in die Nähe von Mainz gezogen. Erst nach diesem Wegzug gab er wieder sein richtiges Geburtsjahr 1914 an.

Seine zum Teil exzentrischen und sprachlich freizügigen Erzählungen brachten Arno Schmidt nicht nur literarische Anerkennung, sondern auch eine Klage wegen Gotteslästerung ein. Nach mehreren Umzügen fand er Ende November 1958 in Bargfeld seinen letzten Wohnort, wo er mit seiner Frau ein ausgesprochen zurückgezogenes Leben führte. Hier entstand auch eines seiner bekanntesten und umstrittensten Werke, „Zettels Traum“ (1970), das schon aufgrund der drei zusammen zu betrachtenden Spalten jeder Seite wohl nur etwas für ausgesprochene Schmidt-Fans ist. Erst 2010 gelang es, eine gesetzte Ausgabe dieses Monumentalwerkes herauszugeben.

Nachdem Arno Schmidt Pfingsten 1979 an einem Schlaganfall im Krankenhaus Celle verstorben war, entstanden an vielen Orten seines Wirkens Erinnerungsstätten, die Person und literarisches Werk in unterschiedlicher Weise würdigen. So wurde auch im Müllerhaus an der Cordinger Mühle eine kleine Arno Schmidt-Ausstellung aufgebaut, die in diesem Jubiläumsjahr neu belebt werden soll.

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