Der "Mord in Cordingen" war schnell aufgeklärt

07/2017 - Die 18-jährige Anni W. arbeitete als Hausangestellte auf dem Kannengießer-Hof der Cordinger Mühle. Bei einer Affäre wurde sie 1931 schwanger und fragte den werdenden Vater, wie es weitergehen solle. Aus Angst um seine eigene Zukunft und seinen Ruf erschlug er sie und warf die Leiche in die Warnau. In Verden wurde er 1932 für den "Mord in Cordingen" zum Tode verurteilt. In der damaligen Weimarer Republik wurden die Todesurteile jedoch zum größten Teil nicht vollstreckt. Nach der Machtübernahme der Nazis 1933 wurden diese Exekutionen allerdings nachgeholt: Am 01. Juli 1933 wurde der Täter schließlich doch in Verden hingerichtet.

Walsroder Zeitung, Mai 1932: Der Mord in Cordingen vor dem Schwurgericht.

Verden, 24. Mai – Unter dem Vorsitz des Landgerichtsrats Feldmann verhandelte das Schwurgericht heute gegen den im Jahre 1909 geborenen Steinmetz Heinrich B. aus W. wegen Mordes. Der Angeklagte, der aus der Untersuchungshaft vorgeführt wurde, wird beschuldigt, am Abend des 23. Dezember 1931 in Cordingen bei Walsrode die bei dem Hofbesitzer Kannengießer daselbst in Stellung befindliche Hausangestellte Anni W. vorsätzlich und mit Überlegung getötet zu haben.

Nach seiner Angabe hat er das 18-jährige Mädchen schon sein einigen Jahren gekannt; im April 1931 ist es dann zu intimeren Beziehungen gekommen, die nicht ohne Folgen blieben. Er hat dann die Beziehung abgebrochen und sich nicht weiter um das Mädchen gekümmert, bis dieses ihm am 13. Dezember brieflich davon Mitteilung machte, dass er demnächst Vater werden würde. Gleichzeitig wurde um Mitteilung darüber gebeten, wie er sich die Sache dachte. Der Angeklagte antwortete gleich darauf und brachte den Brief selbst nach Cordingen, übergab ihn jedoch nicht persönlich, sondern ließ ihn durch ein kleines Mädchen der W. überbringen. In dem Briefe forderte er die W. auf, an demselben Abend um 8 Uhr an einer näher bezeichneten Stelle zu erscheinen; er wolle mit ihr besprechen, was werden solle. Gleichzeitig ersuchte er das Mädchen, den Brief wieder mitzubringen, weil er, wie der Angeklagte heute sagte, nicht in andere Hände kommen sollte beziehungsweise weil er wissen wollte, ob das Mädchen den Brief bekommen hätte. Der Angeklagte fuhr nach der Abgabe des Briefes wieder nach Walsrode zurück.

Abends fuhr er zur festgesetzten Zeit abermals nach Cordingen und auch das Mädchen erschien an der bestimmten Stelle. Die dann folgende Aussprache zwischen beiden nahm schließlich einen ziemlich erregten Charakter an, als der Angeklagte der W. vorwarf, sie habe auch mit anderen Männern Verkehr gehabt. Als die W. schließlich schwieg und weinend vor ihm stand, hat der Angeklagte einen vom Hause mitgenommenen Steinmetzhammer auf den Kopf des Mädchens geschlagen. Die W. fiel sofort zu Boden, sie war offenbar nach kurzer Zeit tot. Der Angeklagte hat die Leiche dann etwa 200 Meter weit an einen Bach geschleift und sie in das Wasser geworfen. Da das Wasser die Leiche nicht vollständig verdeckte, holte er aus dem nahen Walde Tannenzweige, mit denen er sie bedeckte. Auf dem Rückwege fand er die Schuhe und Mütze der Toten, die er an verschiedene Stellen hinwarf.

Der Angeklagte fuhr dann wieder nach Hause und wurde am nächsten Morgen verhaftet. Die Aufklärung konnte so schnell erfolgen, weil die Ermordete einer im gleichen Hause beschäftigten Hausangestellten von dem bevorstehenden Stelldichein Kenntnis gegeben und ihr den Brief gezeigt hatte. Als das Mädchen am nächsten Morgen nicht zu Hause anwesend war, begaben sich verschiedene Ortsbewohner auf die Suche und die Unglückliche wurde dann tot im Wasser gefunden.

In der heutigen Verhandlung gab der Angeklagte, der einen ganz ruhigen Eindruck machte, zu, das junge Mädchen mit einem Hammer erschlagen zu haben. Er will aber im Laufe der Unterhaltung in eine große Aufregung geraten sein und in diesem Zustande die Tat ausgeführt haben. Nach seiner Angabe wollte er Weihnachten ein junges Mädchen in Wittlohe besuchen und sich mit diesem Neujahr verloben. Dann sei plötzlich der Brief der W. dazwischen gekommen, um die er sich 6-7 Monate nicht gekümmert habe und deren Zustand ihm angeblich unbekannt war. Den Hammer will er in einem Dämmerzustand mitgenommen und nicht daran gedacht haben, dass die W. verschwinden müsse. Den blutbefleckten Hammer hat er nach der Rückkehr in der väterlichen Werkstatt in einer Gipsdose versteckt und sich dann ins Bett gelegt.

In den ersten Vernehmungen nach seiner Verhaftung hat der Angeklagte erklärt, dass er während der Tat und vorher ganz ruhig gewesen sei und sich genau überlegt habe, wie die Tat ausgeführt werden solle. Er hat die Vorgänge auch im einzelnen geschildert, wenn auch etwas abweichend von der heutigen Darstellung, u.a. hat er damals angegeben, dass er die W. mit einem am Wege aufgenommenen Stein erschlagen habe. Der Dienstherr der Ermordeten, Hofbesitzer Kannengießer, hat am Morgen nach der Tat bei dem Angeklagten telephonisch angefragt, ob er über den Verbleib der W. etwas wisse. Zunächst hat er dies verneint, dann aber erklärt, dass er nur wenige Minuten mit dem Mädchen zusammengewesen und dann nach Hause gefahren sei. Der Ermordeten wird von ihrem Dienstherrn das beste Zeugnis ausgestellt; sie sei zuverlässig, sauber und ordentlich und 2 ½ Jahre bei ihm in Stellung gewesen. Im Verlaufe der sehr eingehenden Beweisaufnahme wurden 8 Zeugen vernommen, die Eltern des Angeklagten machten vom Recht der Zeugnisverweigerung Gebrauch. Während der Verhandlung wurde festgestellt, dass der Angeklagte in den letzten Jahren sehr viel mit jungen Mädchen zu tun gehabt hat. Er selbst erklärte, dass er sich mit seinem Vater, der sehr streng sei, nicht gut gestanden habe. Er bleibt immer wieder dabei, dass er die Tat ohne Überlegung ausgeführt habe.

Medizinalrat Dr. Schachwitz (?) – Hannover, der als Sachverständiger gehört wurde, hat die Obduktion der Leiche vorgenommen. Nach seinen Feststellungen wies besonders der Kopf des Mädchens zahlreiche zum Teil schwere Verletzungen auf, die durch Schläge mit einem stumpfen Gegenstand verursacht wurden. Das Einschlagen des Schädels wirkte unbedingt tödlich. Zweifellos hat das Mädchen vor dem Zusammenbrechen noch Abwehrbewegungen gemacht, da sich an den Fingern Verletzungen befanden. Medizinalrat Dr. Zimmermann – Verden wies als weiterer Sachverständiger darauf hin, dass die ausschweifende Lebensweise nicht ohne ungünstigen Einfluss auf den Gesundheitszustand des Angeklagten geblieben sei. Es erscheine verständlich, dass er besonders durch den Brief der W. aus dem seelischen Gleichgewicht gekommen ist. Geistige Störungen lägen bei ihm aber nicht vor, auch war die freie Willensbestimmung nicht ausgeschlossen. Immerhin erscheine die Tat unverständlich, da der Angeklagte schon auf Grund des Briefes sofort als Täter in Frage kommen müsste. Es beständen Bedenken, Überlegung (?) anzunehmen.

Der Vertreter der Anklage, Oberstaatsanwalt Dr. Gottschalk, führt aus, dass der Angeklagte ohne ersichtlichen Grund das ahnungslos vor ihm stehende Mädchen zu Boden geschlagen und dann weiter auf die lautlos zusammengebrochene eingeschlagen habe. Zweifellos habe der Angeklagte die Absicht gehabt, das Mädchen zu beseitigen, weil er nicht Vater des zu erwartenden Kindes sein wollte. Er habe bei allen Vorgängen durchaus folgerichtig gehandelt, auch die Tat verdunkeln wollen, indem er die Leiche versteckte. Ein Mann, der nach der Tat durchaus ruhig war und auch während der Tat die Ruhe nicht verlor, hatte mit voller Überlegung gehandelt und sich des Mordes schuldig gemacht. Auf dieses Verbrechen stehe nur die Todesstrafe, die beantragt wurde, daneben Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit. Der Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Utermann – Berbetz suchte den Nachweis zu führen, dass der Angeklagte während der Tat nicht die genügende Überlegung hatte und dass er nicht wegen Mordes, sondern wegen Totschlags bestraft werden könne. Es sei an einem Tag zu viel auf ihn eingestürmt, so dass er die Ruhe verloren habe und nicht Herr seiner Sinne war.

Nach halbstündiger Beratung verkündete das Gericht folgendes Urteil:

Der Angeklagte wird wegen Mordes zum Tode und zu dauernden Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt. Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte zu tragen.

Wenn auch anzunehmen ist, dass der Angeklagte nach Empfang des Briefes der W. in eine gewisse Erregung geraten sein mag, so ist diese Erregung jedoch dann vorübergegangen, nachdem er den Entschluss gefasst hatte, die W. aus dem Wege zu räumen. Die ganze Ausführung der Tat lässt keinen Zweifel daran, dass er mit voller Überlegung handelte und dass er zu jeder Zeit durchaus folgerichtig zu Werke ging.

Der Angeklagte hörte das Urteil ohne sichtliche Erregung an.

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